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tonale deeskalation im steuerstreit: steinbrück frisst kreide, bleibt in der sache aber hart. wirtschaft regional vom 28. märz 2009

 

Wenn Steuerwölfe Kreide fressen

«Peitschen-Peer» Steinbrück hat nur scheinbar an Schlagkraft verloren. Der deutsche Finanzminister, der Steueroasen eben noch mit Peitsche und Kavallerie drohte, klingt zwar plötzlich versöhnlich. In der Sache bleibt er allerdings hart.

Von Wolfgang Frey

Berlin/Vaduz. – Der Sozialdemokrat Peer Steinbrück, der angriffslustige Wolf im Steuerstreit, klingt auf einmal, als habe er Kreide gefressen. Gerade noch hatte er der Schweiz im Streit um Steuern und Bankgeheimnis mit der «Peitsche» gedroht, und als die Eidgenossen schliesslich einlenkten, bemerkte Steinbrück hämisch, man müsse «Indianern» wohl nur mit der Kavallerie drohen, damit sie spurten. Am Dienstag sagte er auf einmal Sätze wie: «Ich würde die Debatte gern beruhigen.» Am Donnerstag schrieb er im Editorial des Newsletters seines Ministeriums: «Wir wollen weder die Bürgerinnen und Bürger eines anderen Staates in Misskredit bringen noch gezielt bestimmte Länder verunglimpfen.»

Dämpfer auf dem EU-Parkett
Die Wende kommt nicht von ungefähr. Steinbrück hat einiges einstecken müssen. Der selbsternannte Austrockner der Steueroasen musste auf dem jüngsten EU-Gipfel zur Kenntnis nehmen, dass sich langjährige Partner wie Österreich oder Luxemburg nicht einfach auf schwarze Vorschlagslisten für Sanktionen gegen Steuerparadiese setzen lassen, wie sie die 20 grössten Industrie- und Schwellenländer (G 20) kommende Woche bei ihrem Gipfel in London beschliessen wollen. Auch wenn Steinbrück das nie explizit geforderte hatte, es hat ihm einigen Wind aus den Segeln genommen.

Am zweiten Gipfeltag musste Steinbrück zur Kenntnis nehmen, dass EU-Ratspräsident Mirek Topolanek den Journalisten erzählte, auch die Schweiz werde auf einer solchen Liste nicht aufscheinen.

Mit Luxemburg und Österreich musste sich Steinbrück diese Woche diplomatisch öffentlich versöhnlich zeigen und anschliessend in der Presse lesen, wie sich seine beiden Amtskollegen darüber freuten, dass der automatische Informationsaustausch nun vom Tisch sei.

In Steinbrücks eigenem Land, in dem bereits Monate vor der Bundestagswahl im September der Wahlkampf tobt, blockieren die christdemokratischen Koalitionspartner sein Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, das in seinem Sinne «unkooperative» Staaten mit faktischen Sanktionen belegen würde. Unionspolitiker titulieren ihn schon als «Elefant im Porzellanladen», der anständige Unternehmer mit längjährigen Geschäftsbeziehungen zu Österreeich oder der Schweiz unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung stelle.
Schliesslich rufen ihn diese Woche auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und selbst sein Parteifreund, Aussenminister und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zur Ordnung.

Ordnungsruf von Merkel
Merkel spricht mit Blick auf die von Steinbrück difammierte Schweiz von «gut nachbarschaftlicher Freundschaft», Steinmeier sagt, die Auseinandersetzung sei «zu scharf geraten» und kündigt ein Treffen mit seiner Amtskollegin Micheline Calmy-Rey an, um die Risse persönlich zu kitten.

Kein Wunder also, dass Steinbrück angesichts dieser harschen «Kavallerieangriffe» von allen Seiten nun zurückrudert. Doch, wie es Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker als ausgewiesener Karl May-Kenner diese Woche formulierte, «Indianer kennen keinen Schmerz» und das gilt in diesem Fall nun umgekehrt auch für Peer Steinbrück. Der knallhart kalkulierende norddeutsche Karrierepolitiker mässigt sich nun zwar verbal, aber das ist auch schon alles.

Keine klare Antwort zur Liste
Steinbrücks steuerpolitischer Sprecher Oliver Heyder-Rentsch blieb die Antwort auf die Frage, ob Liechtenstein von schwarzen G20-Gipfel-Vorbereitungslisten nun ebenso wie die Schweiz verschwunden sei, die Antwort in dieser Woche schlicht schuldig. «Listendiskussionen», sagte er schelmisch zu «Wirtschaft regional», seien für das deutsche Finanzministerium «nicht zielführend».

Liechtenstein hatte sich bekanntlich am 12. März, die Schweiz einen Tag später, zu den Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Fragen des Informationsaustauschs in Steuerfragen bekannt; diese Standards gelten nach allgemeinem Verständnis auch den G 20 als Kriterium. In Steinbrücks jüngstem Newsletter heisst es wörtlich: «Unser Ziel ist es, all jene Länder, die ganz direkt unsere Steuerhoheit in Frage stellen, zum Einhalten der OECD-Richtlinien zu bewegen.»

Doch auf die Frage, ob Liechtenstein mit seiner Erklärung, diese OECD-Richtlinien anzuerkennen, nun die Vorbedingungen für Verhandlungen über das angestrebte Steuerabkommen mit Deutschland erfülle, stellte Steinbrücks Sprecher lediglich kalt fest: «Das ist eine Grundvoraussetzung.»

Zuerst wolle man aber «die tatsächliche Umsetzung» in Liechtenstein sehen. Erst wenn Liechtenstein auch innerstaatlich «die Voraussetzungen» für die Umsetzung der OECD-Standards geschaffen habe, etwa in einem entsprechenden Amtshilfegesetz, könne man über ein Abkommen reden.

Amnestieforderung zieht nicht
Im Übrigen seien die bisherigen Konsultationen Deutschlands mit Liechtenstein auch keine Verhandlungen. «Es gibt Gespräche, in denen die Staaten aufzeigen, wie sie sich das vorstellen», sagte Steinbrücks Sprecher. Zu einer der liechtesteinischen Vorstellungen zählt bekanntlich die Forderung nach «tragfähigen Lösungen für gewachsene Kundenbeziehungen.»

Zu dieser Amnestieforderung sagte Oliver Heyder-Rentsch zu «Wirtschaft regional»: «Es gibt in Deutschland bereits die Regelung der strafbereienden Selbstanzeige. Wir sehen keinen Anlass, diese Regelung auszubauen; das sehen wir sehr zurückhaltend.»

Peer Steinbrück mag verbal zurückrudern. In der Sache nicht.

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