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ausgeliefert. wirtschaft regional, 7. november 2009


ubs kundendaten treuhänder
ubs kundendaten geier

Geier in Wartestellung

Jahrelang hat die Schweizer Grossbank UBS die Liechtensteiner Stiftung als Katalysator fürs Schweizer Bankgeheimnis benutzt und den Treuhändern massenhaft Geschäft beschert. Jetzt wird der Spiess umgedreht. Mit fatalen Folgen.

Von Wolfgang Frey

Vaduz/Zürich. – Voraussichtlich Anfang Jahr liefert die Schweiz der US-Steuerbehörde Internal Revenue Service die ersten von 4450 US-amerikanischen UBS-Kunden ans Messer. Welche das genau sein werden, zählt (noch) zu den bestgehütesten Geheimnissen der Schweiz. Gelüftet wird es frühestens am kommenden Dienstag. Dann läuft die im Staatsvertrag zwischen beiden Ländern vereinbarte Geheimhaltungsklausel über den Anhang dieses Deals aus, der die in eine beispiellose Steuerhinterziehungsaffäre verstrickte UBS retten soll – zum Preis des Schweizer Bankgeheimnisses.

Gut Betuchte im Visier

In dem seit dem Vertragsschluss am 19. August unter Verschluss gehaltenen Zusatzpapier ist festgelegt, nach welchen Kriterien die auszuliefernden Kunden aus mehreren Zehntausenden herausgefiltert werden sollen – jene also, bei denen ein Steuerhinterziehungsverdacht besonders plausibel erscheint. Auch wenn die Kriterien noch unter Verschluss sind: Es zeichnet sich ab, dass vor allem jene gut betuchten Kunden ausgeliefert werden, denen die UBS nicht nur ein Schweizer Konto, sondern auch eine Liechtensteiner Stiftung organisierte.

Das waren nicht wenige. Steueraversen Kunden Stiftungen als Privatsphären-Katalysator zu verkaufen – das ist an den Finanzplätzen Vaduz und Zürich ein offenes Geheimnis -, zählte bei der UBS jahrelang zum guten Ton. Keine andere Bank hat über Liechtensteiner Treuhänder so viele Stiftungen errichten lassen wie die UBS, was Insider bestätigen.

Doch inzwischen ist – angesichts der internationalen Diskussion um Bankgeheimnis und Austausch von steuerrelevanten Daten – offenbar nicht nur das boomende Massengeschäft mit Stiftungen zwischen den Finanzplätzen Schweiz und Liechtenstein am Ende. Mit der Auslieferung der UBS-Kundendaten nach Amerika liefert die Schweiz neben UBS-Kunden potenziell auch die liechtensteinischen UBS-Partner ans Messer.

«Sämtliche Unterlagen»
Bereits im öffentlichen Teil des Staatsvertrags ist die Rede von «Offshore»-Konstruktionen, darunter fallen nach allgemeinem Verständnis auch Stiftungen. Und dort heisst es ebenfalls, dass zusammen mit den Kundendaten «sämtliche Unterlagen» dieser sogenannten Sitzgesellschaften herauszugeben sind.

Die Praxis der US-Steuerfahnder hat schon im Fall des 2008 wegen Verschwörung zur Steuerhinterziehung angeklagten ehemaligen UBS-Bankers Bradley Birkenfeld gezeigt, dass sich die USA nicht mit Hauptverdächtigen begnügen – auch mutmassliche Helfer sind im Visier. Neben Birkenfeld zitierten die US-Ankläger bekanntlich auch einen Liechtensteiner Treuhänder vor Gericht, der an der millionenschweren Steuerhinterziehung des Immobilienmoguls Igor Olenicoff beteiligt gewesen sein soll – erschienen ist er dort allerdings nie.

In Vaduz geht derweil die Sorge um, dass bald weitere Treuhänder ins Visier der US-Justiz geraten könnten, befeuert von den ausgelieferten UBS-Kundendaten und weiteren, die die USA über den 2008 geschlossenen Vertrag zum Informationsaustausch erhalten können. Der Weisskopf-Seeadler, das US-Wappentier, könnte dann auf seiner Steuereintreibungsmission in Übersee bald nicht nur über dem Schweizer, sondern auch über dem Vaduzer Finanzplatz kreisen – in Gestalt eines Geiers.


«Auf dem Silbertablett»

Wenn die Schweiz demnächst in grossem Stil UBS-Kunden an die US-Steuerbehörde ausliefert, werden dabei auch Informationen über Liechtensteiner Stiftungen fliessen. «Der Treuhänder ist zum Risikoberuf geworden», sagt ein Insider.

Von Wolfgang Frey

Vaduz/Zürich. – Es muss nicht mehr viel spekuliert werden. Player am Finanzplatz Vaduz, darunter auch solche, die eng mit der UBS zusammengearbeitet haben, lassen keinen Zweifel daran, dass mit den Daten von 4450 amerikanischen UBS-Kunden auch Informationen über «Offshore-Strukturen» wie liechtensteinische Stiftungen fliessen und diese als Munition für weitere Strafverfahren genutzt werden.

Verfahren «nicht auszuschliessen»
Es sei «zu erwarten», dass die US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) die UBS-Kundendaten «im Hinblick auf mögliche strafbare Handlungen wie Beihilfe zur Steuerhinterziehung analysieren» werde, heisst es etwa bei der Vaduzer Finanzgruppe Kaiser Ritter Partner. Dabei sei «nicht auszuschliessen, dass auch gegen Finanzmarktteilnehmer aus Liechtenstein beziehungsweise deren Mitarbeiter Verfahren angestrengt werden könnten.»

Eine ähnliche Kampagne der USA wie im Fall UBS, die die Schweizer Bank fast ihre US-Banklizenz gekostet hätte und die die Schweiz in Sachen Bankgeheimnis am Ende in die Knie und nun zum grossen Datentransfer zwang, befürchtet zumindest offiziell niemand. So weist etwa der Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands, Michael Lauber, auf das 2008 mit den USA abgeschlossene Abkommen zum Informationsaustausch und die «guten Beziehungen» zwischen den beiden Ländern hin.

«Jetzt wissen die, wies läuft»
Andere Akteure auf dem Finanzplatz schätzen die Lage anders ein: Der IRS habe «lange nicht gewusst, wie das System bei uns funktioniert hat», sagt ein Insider. Das habe ihn eigentlich selbst überrascht. Doch heute habe der IRS die Informationen: durch die gestohlenen Daten der damaligen LGT Treuhand und das Steuerhinterziehungsverfahren um den Ex-UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld und den russischstämmigen US-Milliardär Igor Olenicoff. «Das hat man spektralanalysiert; jetzt wissen die genau, wies läuft.» Nun, da sie über das System von Schweizer Banken und Liechtensteiner Treuhändern und die Stiftung als «doppelten Schutz», wie es ein Liechtensteiner Banker formuliert, Bescheid wüssten, «werden sie hinter den mutmasslichen Helfern hinterher sein wie der Teufel hinter der armen Seele», sagt der intime Kenner des Vaduzer Finanzplatzes. Neben der Beihilfe zur Steuerhinterziehung drohe «in der nächsten Dimension» der Verdacht auf eine «banden- oder gewerbsmässige» Verschwörung zum Steuerbetrug oder zur Steuerhin- terziehung – auch im Fall um Birkenfeld, Olenicoff und die UBS war seitens der USA bereits von «Verschwörung» die Rede. Gelinge den US-Ermittlern der Nachweis, dass es eine Zusammenarbeit zwischen UBS-Beratern, Treuhändern und liechtensteinischen Depotbanken gegeben habe und der Impuls aus diesem Kreis kam, könne sich ein solcher Verdacht durchaus aufdrängen, «wenn man das aus den Papieren entnehmen kann.»

«Vertretbarer Verdacht»
Das das passieren könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Schweizer Zeitung «Sonntag» schrieb kürzlich, ausgeliefert würden amerikanische UBS-Kunden, die wirtschaftlich berechtigt an einer Liechtensteiner Stiftung seien und bei denen ein «vertretbarer Verdacht für Steuerbetrug oder Ähnliches» vorliege, wobei als «Ähnliches» bereits eine «schwere Steuerhinterziehung» von 100 000 Franken über drei Jahre infrage komme. Amerikanische UBS-Kunden mit einer liechtensteinischen Stiftung, die ihre Einkünfte nicht ordnungsgemäss gemeldet und versteuert haben, stünden damit praktisch automatisch auf der Liste der auszuliefernden Daten. Denn eine Liechtensteiner Stiftung lohnt sich, wie verschiedene Quellen am Vaduzer Finanzplatz bestätigen, ohnehin erst ab einem Millionenbetrag.

«Früher gabs bei einigen grossen Schweizer Banken für Beträge zwischen 2 und 10 Millionen Franken das Starter-Kit mit Schweizer Konto und Liechtensteiner Stiftung», sagt ein mit der Angelegenheit vertrauter Vaduzer Finanzplatzakteur. «Für die Stiftung war 1 Million die typische Schwelle, darunter rentiert sich das einfach nicht.»

Nun könnten aus gerechnet die Daten dieser solventen Kunden via Schweiz an den IRS gelangen. «Das wird ihnen jetzt auf dem Silbertablett serviert», heisst es am Liechtensteiner Finanzplatz: «Für das Bankgeheimnis ist das eine Katastrophe.» Denn aufgrund der Daten aus der Schweiz können US-Steuerfahnder nun weiter bohren: Sie haben nun genau jene konkreten Informationen, die das Ende 2008 mit den USA geschlossene Abkommen zum Informationsaustausch erfordert, um in Steuerhinterziehungsverdachtsfällen unter Umgehung des Bankgeheimnisses Daten von Liechtensteiner Banken und Treuhändern zu verlangen.

«Starter-Kit» ohne Stiftung
Unterdessen hat die UBS das jahrelang florierende Geschäft mit Liechtensteiner Treuhändern offenbar für beendet erklärt. Das «Starterkit» mit Stiftung, so erzählt man sich in Zürich, sei längst abgeschafft, die Liechtensteiner Stiftung als doppelter Schutz habe angesichts der Aufweichung des Bankgeheimnisses ausgedient, sie komme nur noch bei Kunden ab 10 Millionen Franken zum Einsatz, das Massengeschäft sei damit am Ende.

Die Schweizer Grossbank bestätigt das so freilich nicht. Aber auch die offizielle Sprachregelung gibt Hinweise. Nach der «Überprüfung des grenzüberschreitenden Geschäftes» habe die Bank ihre «Geschäftsgrundsätze und -standards für die Errichtung von Trusts und Stiftungen» angepasst, heisst es von der UBS. Unter «strikter Einhaltung» dieser neuen Regeln werde die Bank künftig «für eine beschränkte Anzahl von Ländern auch Stiftungsstrukturen» anbieten.

«Dieselbe Funktionalität»
In Vaduz kursiert unterdessen der Verdacht, nun würden Liechtensteiner Stiftungen in grossem Stil in Panama-Stiftungen umgewandelt. Diese hätten schliesslich dieselbe «Funktionalität».

Fürs Treuhandgeschäft ein doppeltes Risiko. Nicht nur strafrechtliche Risiken stehen im Raum, auch unternehmerische. Ohne die UBS als Grosskunde, heisst es in Vaduz unter der Hand, dürfte es für einige Akteure am Finanzplatz schwierig werden.

 

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