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leseprobemenschen

eine begegnung mit anita leuthold. aus dem st. galler kirchenboten 4/2008

kirchenbote st. gallen schweiz

foto wolfgang frey Photo: Wolfgang Frey


Die Traumfrau von St.Gallen

Anita Leuthold freut sich auf die Nacht. Dann kommen die Träume. Für Anita Leuthold sind sie zur treibenden Kraft im Leben geworden. Auch ihre Faszination für Träume begann mit einem Traum.

Es ist ein schlimmer Traum an einem schönen Tag vor 40 Jahren. Anita Leuthold ist damals 15. «Wir sind wandern gewesen im Toggenburg an dem Tag, mein Vater, meine Schwester und ich», erzählt Anita Leuthold. «Ich fühlte mich nicht wohl und wollte auf einer Wiese ausruhen, während mein Vater und meine Schwester ihren Weg noch fortsetzten.» Anita Leuthold schläft ein, sieht ihre Schwester im Traum am Hang ausrutschen und stürzen, mit dem Kopf auf einen Felsen zu, und wacht erschrocken auf. Und ihre Schwester ist tatsächlich gestürzt: «Nach zwei Stunden kamen die beiden zurück und erzählten mir das: Da hab’ ich angefangen, mich mit meinen Träumen zu beschäftigen.»

Heute ist Anita Leuthold eine regelrechte Expertin für Träume. In St.Gallen hält sie Vorträge zum Thema, gibt Seminare (www.traumseminare.ch), leitet eine Gruppe, in der Menschen sich gegenseitig ihre Träume erzählen, besucht internationale Kongresse von Traumforschern und arbeitet an einem eigenen Buch zum Thema. 1968 konnte sie über ihre Träume nicht einmal sprechen.

Träumen ja, reden nein

«Es ist eine andere Zeit gewesen, über Träume hat man nicht geredet.» Auch nicht zu Hause in Nesslau. Leutholds Vater konstruiert astronomische Uhren, solche, die die Bahnen der Sterne und Planeten zeigen, den Lauf des Mondes. Er ist ein Tüftler, ein Techniker, einer, der sich an die Fakten hält. Träume lassen sich nicht in Zahlen giessen, nicht messen: «Darüber konnte ich mit ihm nicht sprechen.»

Mit 16 lernt Anita Leuthold in einem Kletterlager einen Leiter kennen, der sich am C.G. Jung Institut zum Analytiker ausbilden liess. Jung hat sich intensiv mit der Funktion und der Bedeutung von Träumen befasst. In dem Lagerleiter findet die 16-Jährige einen Gesprächspartner. Sie fängt an, Bücher von Jung zu lesen, studiert nach ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin zusätzlich Psychologie. «Dieser Traum auf der Wiese, das war ein Schlüsselerlebnis», sagt Anita Leuthold. «Die Frage, was Träume sind, was sie bedeuten, woher sie kommen, das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.»

«Gestatten, ich!»

Eine der entscheidenden Antworten, die Anita Leuthold inzwischen auf diese Fragen gefunden hat, lautet: «Wir Menschen sind uns doch grösstenteils unbekannt: Träume helfen uns, vollständig zu werden.» Der grösste Teil der Seele, so erklärt es Leuthold in ihren Vorträgen, finde sich schliesslich im Unbewussten: «Das Bewusstsein ist nur wie ein Schneeball auf dem grossen Eisberg des Unbewussten, und wenn wir einschlafen, sich das Bewusstsein ausschaltet, dann beginnen wir zu träumen.» Und dann durchforstet der «schlafende Geist» die Bibliothek des Erlebten, des Verarbeiteten, des Unverarbeiteten, des Verdrängten.

Und so, sagt Leuthold, kommen wir uns selbst ein Stück näher: «Wir erfahren im Traum zuweilen Fähigkeiten, die wir zwar besitzen, die wir uns im Wachzustand aber gar nicht zugetraut haben, manchmal finden wir in Träumen auch Hinweise, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten können – und selbst körperliche Veränderungen wie Krankheiten können sich im Traum ankündigen.» Anita Leuthold mag das Träumen nicht missen: «Leben ohne zu träumen, das kann ich mit gar nicht vorstellen.» Wolfgang Frey, St.Gallen


«Es ist immer wieder spannend, was in der Nacht passiert…»

Träumen Sie viel?
Ja, ich träume praktisch jede Nacht.

Träumen Sie gern?
Ja, schon. Ich kann mir gar nicht vorstellen, nicht zu träumen. Ich lebe mit den Träumen.

Sind es immer schöne Träume?
Nein, gar nicht. Aber auch wenn es manchmal nicht so schöne sind, sind sie interessant. Es ist immer wieder spannend, was in der Nacht passiert. Ich erfahre immer wieder Neues.

Neues über sich selbst?
Sehr viel. Im Traum bekommen wir Zugang zum Unbewussten, zu einem Teil unserer Seele. Zu etwas, was wir bewusst nicht kennen, aber doch zu uns gehört.

Was haben Sie in Träumen über sich gelernt?
Zum Beispiel, dass ich schreiben sollte. Ich habe mehrfach geträumt, dass es mit gut täte, zu schreiben. Irgendwann hab’ ich es gemacht: Ich habe Kindergeschichten und Gedichte geschrieben. Und es tat mir gut. Ich war überrascht über das, was dabei herausgekommen ist. Schriftstellerin ist heute mein Traumberuf.

Das kam einfach so aus dem Unbewussten?
Ja. Das Unbewusste ist faszinierend. Es ist eine faszinierende Art, mit sich selbst sehr intensiv in Kontakt zu treten, in jeder Nacht. Träumen hilft uns, vollständig zu werden, uns neu kennenzulernen. Es ist ein besonderer Reichtum, ein Geschenk der Nacht.

Es macht also Sinn, auf Träume zu hören?
Auf jeden Fall. Wir erfahren etwas über uns selbst, wir bringen uns ins Gleichgewicht, wir werden in Träumen auch motiviert, neu und anders zu denken. Und oft bekommen wir im Traum auch Hinweise darauf, wie wir uns im richtigen Leben verhalten könnten.

So wie eine Eingebung im Wachzustand?
Ja, so ungefähr. Träume können uns oft dabei helfen, mit neuen Situationen im Leben umzugehen. Gerade, wenn man aktuell ein Problem hat oder vor einer wichtigen Entscheidung steht, lohnt es sich, auf seine Träume zu hören. Sie enthalten oft wichtige Botschaften.

Manchmal auch himmlische?
Ja, das denke ich schon. Wenn man zum Beispiel in einem Traum etwas voraussieht, was dann tatsächlich so passiert, woher soll so etwas kommen? Das kann man nicht erklären. Ich denke, nicht alle unsere Träume kommen nur aus uns selbst. Manche haben sicher einen übersinnlichen, einen göttlichen Aspekt. Interview: Wolfgang Frey

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