Die Föderalismusforschung

Für den (west-)deutschen Föderalismus zeichnete sich bereits kurz nach der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 eine Herausforderung ab, die ihn bis heute prägt: die Europäische Integration. Diese begann 1952 mit der «Montanunion» («Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl» (EGKS)). Supranationale Organisationen wie diese Keimzelle der heutigen «Europäischen Union» (EU) basieren auf der Übertragung von Hoheitsrechten von den beteiligten Nationalstaaten auf die neu geschaffenen Europäischen Institutionen, die dadurch erst ihre Legitimität erhalten.

Die Europäische Integration stellt den deutschen Bundesstaat vor Herausforderungen.
Die Europäische Integration stellt den deutschen Bundesstaat vor Herausforderungen.

Für föderal organisierte Staaten, die ihre innerstaatlichen Kompetenzen auf verschiedene Ebenen aufteilen – in der BRD auf Bund und Länder, in der Schweiz auf Bund und Kantone, um nur zwei Beispiele zu nennen – ist die Integration regelmäßig eine spezielle Herausforderung, da sie direkt in die innerstaatliche Machtbalance eingreift: Wann immer Hoheitsrechte übertragen werden, stellt sich die Frage, sind es solche des Bundes oder solche der nachgelagerten Gebietskörperschaften (Bundesländer, Kantone etc.)

Die Herausforderung von Maastricht

Ein besonders herausfordernder Integrationsschritt ergab sich für den deutschen Föderalismus kurz nach dem Fall der Mauer mit dem 1992 unterzeichneten EU-Vertrag von Maastricht, der den bis dahin ambitioniertesten Integrationsschritt darstellte und entsprechend mit der Übertragung von besonders vielen Hoheitsrechten auf die EU einherging.

Parallel dazu debattierte Deutschland über die Möglichkeit einer neuen Verfassung für den gerade erst entstandenen Gesamtstaat aus BRD und DDR. Sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Bundesrat debattierten in Kommissionen über eine Revision des Grundgesetzes – auch mit Blick auf die Europäische Integration. Während die gemeinsame Verfassungskommision beider Kammern breite Resonanz in der politikwissenschaftlichen Forschung fand, die sich mit dem Zustandekommen des neuen Europa-Grundgesetzartikels 23a befasste, wurde die Verfassungskommission der Ländervertretung kaum beachtet.

Verlierer sind die Parlamente

Die Arbeit «Die Verankerung der Mitwirkungsrechte der deutschen Länder bei europäischen Entscheidungsprozessen: Genese und Problematik des Artikels 23 Grundgesetz -neu-» greift wenige Jahre nach der Grundgesetzänderung erstmals auch die Debatten der Verfassungskommission des Bunderates in vertiefter Form auf.

In der Analyse kommt die Untersuchung unter vorwiegender Verwendung von Originaldokumenten zu dem Schluss, dass die Übertragung deutscher Hoheitsrechte im Sinne des neuen Grundgesetzartikels in erster Linie auf Kosten der Landtage geht, während die Länderexekutiven über eine Beteiligung des Bundesrats bei Entscheidungen auf europäischer Ebene gestärkt werden.

Die Europäische Integration führt damit zu einer Verschiebung von Kompetenzen innerhalb der Bundesländer auf die Exekutive und damit zu einer sukzessiven und demokratietheoretisch problematischen Entmachtung der Länderparlamente.

«Die Verankerung der Mitwirkungsrechte der deutschen Länder bei europäischen Entscheidungsprozessen: Genese und Problematik des Artikels 23 Grundgesetz -neu-»
Arbeit zur Erlangung des Magister Artium an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main
Verfasser: Wolfgang Frey
Erscheinungsjahr: 1996, 169 Seiten, vergriffen

Mehr Informationen und Ausleihe bei der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main.

Der Autor

Profil von Wolfgang Frey im Register wissenschaftlicher Autoren «Open Researcher and Contributor ID» (ORCID):
0009-0006-2137-2753

Bildnachweis: Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / “Berlin, Reichstagsgebäude — 2019 — 6310” / CC BY-SA 4.0