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"ziemlich angepisst": liechtensteiner befindlichkeiten in zeiten des deutschen politisch-medialen grossangriffs. für die zeitungsgruppe südostschweiz in chur, im februar 2008

südostschweiz, chur, schweiz
Südostschweiz, Chur, Schweiz, Vorabwerbung und Textseite vom 24. Februar 2008.


22. Februar 2008

"Kampf mit harten Bandagen"
Liechtensteins Volksseele kocht: "Das kommt einer Kriegserklärung gleich"


An Titulierungen wie "Zwergstaat" und "Steueroase" haben sich die Liechtensteiner längst gewöhnt. Auf Schmähungen wie "Räuberhöhle" oder "Schurkenstaat" reagieren sie aber allergisch. Die Volksseele kocht.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. - Der Satz mit dem "Schurkenstaat" vom SPD-Finanzexperten Joachim Poss war bisher die wahrscheinlich schlimmste Beleidigung aus Deutschland. Ebenfalls aus dem 2.000 Mal größeren Deutschland kam die Schmähung "Räuberhöhle" und der Vorwurf, Liechtenstein betreibe ein "bewusstes Hinterziehungsgeschäft", respektive eine "moderne Form des Raubrittertums". Fast noch saurer als diese Verbalanwürfe stösst im Fürstentum allerdings die deutsche Geheimdienstaktion samt staatlichem Aufkauf gestohlener Bankdaten auf. Das brachte nicht nur Erbprinz Alois in Rage, der Deutschland postwendend "Hehlerei im grossen Stil" vorwarf. Auch sein Volk fühlt sich, wie es ein Vaduzer formuliert, "ziemlich angepisst".

"Oberpeinlich"
"Das deutsche Verhalten ist doch mehr als fragwürdig", schimpft ein anderer Liechtensteiner. Deutschland habe schließlich selbst genug Probleme, von denen es offenbar vor allem ablenken wolle, empört sich ein Leserbriefschreiber in der Vaduzer Tageszeitung "Liechtensteiner Vaterland". Die deutschen Schwierigkeiten reichten bekannterweise von der milliardenschweren Verschleuderung von Steuergeldern bis zum jüngsten "oberpeinlichen" Fall, dass gerade der Chef des Staatskonzerns Deutsche Post selbst beim Steuerhinterziehen erwischt wurde. Deutschland, so sein Fazit, brauche nun offenbar etwas, das "klein genug" sei, damit "selbst Deutschland" noch etwas habe, worauf es "noch herunterschauen" könne. Wer seinen Laden so wenig "im Griff" habe, dass Spötter schon von der "Bananenrepublik Deutschland" sprächen, solle "schweigen, einfach schweigen".



"Kriegserklärung"
Stattdessen stürze Deutschland Liechtenstein in eine "Krise, deren Folgen noch nicht abzusehen sind", schreibt ein anderer aufgebrachter Liechtensteiner. Das "verbrecherische Vorgehen" bei der "aktiven Wirtschaftsspionage in unserem Land" komme einer "Kriegerklärung gleich". Fazit dieses erregten Mannes: "Liechtenstein muss aufrüsten, nicht militärisch, aber geheimdienstlich: Liechtenstein braucht einen Geheimdienst, das ist die traurige Konsequenz."

Deutsche Zeitungen, die im Gegenzug Schlagzeilen wie "Bundeskanzlerin droht Liechtenstein" und "Liechtenstein kapituliert" produzieren, tragen im Fürstentum ebenfalls wenig zur Abkühlung der Gemüter bei. Was als politisch-mediale Grossangriff aus Deutschland empfunden wird, schweisst zusammen, auch wenn es einzelne Ausreisser gibt: Liechtenstein müsse sich schon fragen, ob es noch länger von der Steuerhinterziehung anderer leben wolle, sagt ein Angestellter aus Vaduz. "Ein bisschen sind wir an dem Ganzen schon auch selbst mit schuld." Zumindest vorerst bleiben derart selbstkritische Stimmen wie diese in und um Vaduz aber die Ausnahme.

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