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ein mutmasslicher datendieb klagt an. südostschweiz, juli 2008

steueraffäre kieber lgt

Anklage aus dem Off

Der mutmaßliche Datendieb Heinrich Kieber stellt Liechtensteiner Fürstenbank LGT an den Pranger - Vaduzer Bank weist Vorwürfe zurück

Ausgerechnet Heinrich Kieber: Der mutmaßliche Bankdatendieb, der in Liechtenstein per Haftbefehl gesucht wird, avanciert in den USA zum Kronzeugen in der Steueraffäre. Vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats rechnet er mit seinem Ex-Arbeitgeber, der Fürstenbank LGT ab.

Von Wolfgang Frey

“Größe: 185 cm, äußere Erscheinung: gross und kräftig, Augenfarbe: bräunlich, Haarfarbe: dunkelbraun, Besondere Merkmale: Brillen-/ Kontaktlinsenträger.” So fahndet die Liechtensteiner Landespolizei nach dem ehemaligen LGT-Treuhand-Mitarbeiter Heinrich Kieber. Vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats zur Steueraffäre trat er am Donnerstag Ortszeit nur als Silhouette auf: Als Schatten auf der Videoleinwand erzählte Heinrich Kieber von der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, bewussten Gesetzesbrüchen und “fragwürdigen Geschäften”. Seine Behauptungen datieren aus seiner Zeit bei der Treuhandtochter der LGT.

“Überraschend einfache Tricks”
Inzwischen ist Kiebers Aussage für alle Welt im Internet nachzulesen. Sie umfasst acht Seiten und wird in den Ermittlungsakten des Ausschusses als Beweisstück Nummer 5 geführt. Bei der LGT Treuhand habe er Zugang zu allen Kundendaten gehabt und ein “sehr klares Bild bekommen”: von den teils “hoch komplizierten”, teils “überraschend einfachen Tricks”, mit denen die Bank ihren Kunden geholfen habe, ihr Vermögen “außer Reichweite” der Steuerbehörden zu bringen.
Die vor einigen Jahren verschärften Sorgfaltspflichten seinen nicht immer beachtet worden. Die LGT habe die grundlegenden Prinzipien des “Know your Customer”-Prinzips - nach denen sich die Bank jeweils nach den tatsächlichen Eigentümern und der Herkunft von Geldern erkundigen muss - vorsätzlich verletzt. “Ich kann offen sagen”, so Kieber, dass die LGT in einem großen Teil der Fälle “keine Ahnung” davon gehabt habe, woher das Geld ihrer Kunden tatsächlich stammte.

“Das geht Sie nichts an”
Er habe das bei der LGT in Gesprächen mit Managern auch durchaus angesprochen, sagt Kieber. “Alle diese Diskussionen drehten sich um Akten mit starken Hinweisen auf Korruption,
Verbindungen zu Diktatoren oder Geschäften, die ein US-Embargo umgehen sollten.” Die Antwort sei allerdings immer die gleiche gewesen: “Das geht Sie nichts an. Bleiben Sie bei Ihrem Job.”

Letztlich, das ist eine der Quintessenzen von Kiebers Behauptungen, habe ausgerechnet die LGT mit ihrem Verhalten die Versuche Liechtensteins untergraben, den Ruf des Finanzplatzes wiederherzustellen, der nach dem Skandal um die Jahrtausendwende stark ramponiert war. Als Reaktion hatte Liechtenstein die Gesetze verschärft und in den vergangenen Jahren konnten die Banken des Fürstentums auch wieder eine Zunahme der verwalteten Gelder verbuchen.

Aber auch der Ruf des LGT-Anklägers Kieber ist fragwürdig und durchaus äusserst ramponiert. Kieber soll 2002 zahlreiche vertrauliche Daten der LGT gestohlen und unter anderem an den deutschen Geheimdienst verkauft haben. Als mutmaßlicher BND-Informant ist der Liechtensteiner damit wahrscheinlich auch der Mann, der die Steueraffäre ins Rollen brachte, die Mitte Februar mit der Razzia beim damaligen Chef der Deutschen Post AG, Klaus Zumwinkel, begann und internationale Verwicklungen auslöste. Im Untersuchungsbericht des US-Senats ist davon die Rede, Kieber habe allein der USA Dokumente zur Verfügung gestellt, die 12.000 Seiten umfassen.
Der Haftbefehl des Fürstlichen Landgerichts zu Vaduz vom 29. Februar 2008 lautet auf “Verdacht des Verbrechens der Auskundschaftung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu Gunsten des Auslands” und des “Vergehens des Datendiebstahls”.

Dem Vernehmen nach genießt Kieber inzwischen den Schutz eines Zeugenschutzprogramms. Darauf deuten auch die Dokumente des Untersuchungsausschusses des US-Senats hin. Dort wird er lediglich mit der Bezeichnung “früherer Angestellter der LGT Treuhand” geführt. Allerdings mit dem Zusatz “einst bekannt als Heinrich Kieber”.

Vaduzer Bank dementiert
Die LGT schickte am Donnerstag keinen Vertreter in die Anhörung des Ausschusses, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Bank hatte allerdings bereits im Vorfeld der Anhörung mit den US-Ermittlern kooperiert und mit Blick auf die Vorwürfe erklärt, es handele sich dabei um Einzelfälle. Sie seien “nicht mehr aktuell” und spiegelten “in keiner Weise die heute üblichen Geschäftspraktiken” wider.

Gegenüber unserer Redaktion erklärte die LGT am Freitag, sie nehme Kiebers Aussage “zur Kenntnis”. Die Bank wies zugleich darauf hin, dass Kieber, der vom Oktober 1999 bis zum November 2002 für die LGT Treuhand gearbeitet hatte, wegen schweren Betrugs, Nötigung und Urkundenunterdrückung bereits 2004 rechtskräftig verurteilt wurde. Die von Kieber gestohlenen Dokumente, stammten zudem aus einer Zeit, in der “ganz andere aufsichtsrechtliche Bestimmungen” gegolten hätten, so die Bank. “Die LGT weist jegliche Anschuldigungen hinsichtlich illegaler Aktivitäten - oder aktiver Beihilfe zu illegalen Aktivitäten - entschieden zurück.”

Freitag, 18.07.2008




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