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leseprobewirtschaft

banker und treuhänder im visier der steuerfahnder. wirtschaft regional vom 16. mai 2009

steuerhinterziehung beihilfe

Das Netz zieht sich zu

Am Finanzplatz geht die Angst um. Ausländische Steuerbehörden beschränken sich nicht mehr auf die Jagd nach Steuerflüchtlingen. Vermehrt nehmen die Fahnder auch deren mutmassliche Helfer ins Visier: Bankberater und Treuhänder.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. - 160 Quadratkilometer können beengend sein. Der Liechtensteiner Treuhänder beispielsweise, der 2008 im Zuge der UBS-Steueraffäre in den USA wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung von einem Gericht in Florida vorgeladen wurde, nicht erschien und sodann zur Fahndung ausgeschrieben wurde, wird seine Auslandsreisen und vor allem jene nach Übersee inzwischen äusserst umsichtig planen.Wer auch in Europa zur Fahndung ausgeschrieben ist, mag aus Erfahrung berichten können, wie klein Liechtenstein tatsächlich ist.

«Sehr viel aggressiver»
Die Fahndung nach den vermeintlichen Helfern ausländischer Steuerhinterzieher sei zuletzt «sehr viel aggressiver» geworden, sagt der Vaduzer Rechtsanwalt Heinz Frommelt. Ein Treuhänder, der derzeit vor allem ein europäisches Land meidet, in dem er schon einmal in Untersuchungshaft gesessen hat, berichtet von angezapften Telefonen und abgehörten Telefongesprächen.

Vor allem die Vereinigten Staaten des erklärten Steueroasen-Austrockners Barack Obama haben mit mehreren verhafteten Mitarbeitern schon in der UBS-Affäre keinen Zweifel daran gelassen, dass es ihnen ernst ist. Inzwischen fragt die US-Steuerbehörde IRS Steuersünder ganz gezielt nach ihren Bankberatern oder Treuhändern aus. Reiseempfehlungen - oder besser -warnungen - Schweizer und Liechtensteiner Finanzinstitute zeigen, wie ernst das Thema am Finanzplatz genommen wird.

Die von der Liechtensteiner und der Schweizer Regierung angekündigte Lockerung des Bankgeheimnisses zugunsten ausländischer Finanzämter in Verdachtsfällen von Steuerhinterziehung macht das Thema noch brisanter: Wenn der Informationsaustausch mit Deutschland oder anderen Staaten beginne, Wirkung zu zeigen, warnte etwa der Zürcher Rechtsanwalt Dieter Bohnert neulich in der «Neuen Zürcher Zeitung», werde die «Gefahr strafrechtlicher Verfolgung» für die Banken weiter zunehmen.

Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich vom Fiskus ertappte Bankkunden «gerne in Richtung ihrer Bank und ihrer Bankberater» entlasteten: Das «Entdeckungsrisiko» für den einzelnen Finanzplatzakteur werde daher künftig «deutlich höher werden».

Liechtensteiner Bankiers sehen das Risiko ebenfalls, allerdings vor allem bei den Treuhändern. Ihnen könnte aufgrund des Charakters ihrer Dienstleistungen am ehesten ein Strick gedreht werden, heisst es.

«Keine Kriminalisierung»
«Das ist ein Thema», sagt Peter Marxer junior, Präsident der Liechtensteinischen Treuhändervereinigung (THV). Ein Gutteil des Drohpotenzials sei zwar sicher «zu einem hohen Grad politisch motiviert», entsprechend werde jetzt viel von den bilateralen Verhandlungen über Steuerabkommen abhängen, ernst genommen werde das Thema aber durchaus.

Im kürzlich verabschiedeten Positionspapier der THV, mit dem sie auf die Umbrüche auf dem Finanzplatz reagiert, spielt die Beihilfeproblematik entsprechend ebenfalls eine Rolle: «Weder Kunden noch Treuhänder werden kriminalisiert», lautet die entsprechende Forderung an die Liechtensteiner Regierung. Diese geht nich zuletzt mit diesem Anliegen in die bilateralen Steuerverhandlungen.

Der EU-Botschafter für die Schweiz und Liechtenstein, Michael Reiterer, sagte diese Woche zu «Wirtschaft regional», das Thema der «Altlasten» spiele derzeit in Gesprächen «mit verschiedenen Jurisdiktionen» eine Rolle. Letztlich sei dies allerdings Sache der Einzelstaaten.

Solche Amnestien auszuhandeln, gilt je nach Land allerdings als schwierig. Derweil wächst die Unsicherheit. «Die Angst geht dort um, wo sie eine gewisse berechtigte Ursache hat», kommentiert ein Liechtensteiner Finanzplatzakteur trocken.

 

«Das Risiko wird unterschätzt»

Spätestens seit UBS-Spitzenbanker in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verhaftet wurden, ist klar: Das Offshore-Geschäft ist riskant. Der Vaduzer Rechtsanwalt Frommelt warnt davor, das Risiko zu unterschätzen.

Mit Heinz Frommelt sprach Wolfgang Frey

Einigen Ländern wie den USA oder auch Deutschland scheint es nicht mehr zu genügen, die eigenen Steuerflüchtlinge zu fassen. Sie blasen zur Jagd auf die mutmasslichen Helfer. Kann man sich so einfach grenzüberschreitend strafbar machen?

Heinz Frommelt: Es ist an sich klar: Ein Steuervergehen ist in vielen Ländern eine Straftat. Wer dabei hilft, kann der Beihilfeproblematik unterliegen. Rein juristisch betrachtet gilt
auch für sie dann das Recht des Staates, in dem die Handlung, also beispielsweise das Steuerdelikt, vollzogen worden ist. Im Fall von Deutschland wäre der Gehilfe beispielsweise nach den Regeln des deutschen Strafgesetzbuchs zu belangen. Das ist an sich ein ganz normaler juristischer Vorgang ...

... der in letzter Zeit allerdings zunehmend in Mode zu kommen scheint. Schweizer Privatbankiers berichten von Kollegen, die in Frankreich und Deutschland in Beugehaft genommen werden.

Das Verhalten der ausländischen Justiz ist in der Tat sehr viel aggressiver geworden. Man versucht, über Druck auf den vermeintlichen Beitragstäter an Informationen über den Haupttäter zu kommen. In den USA ist das nicht ganz unbekannt, das gab es dort auch früher schon. Die neue Qualität ist, dass auch in anderen Staaten vermehrt Staatsanwälte versuchen, auf diese Art und Weise an Zusatzinformationen heranzukommen.

Geht es den ausländischen Ermittlern dabei tatsächlich nur um Informationen über den Haupttäter oder geraten dadurch nicht auch die Finanzdienstleister selbst ins Fadenkreuz?

Für ausländische Ermittler sind liechtensteinische Finanzdienstleister tatsächlich weit weniger interessant als der inländische Haupttäter. Das hat sicher auch damit zu tun, das sich Staatsanwälte nicht durch die Politik instrumentalisieren lassen, auch nicht in Deutschland. In den USA sieht es da vielleicht noch etwas anders aus, auch weil die Steuerbehörde dort etwas selbstständiger agieren kann.

Liechtenstein hat vor Kurzem beschlossen, das Bankgeheimnis zu lockern und wie bereits mit den USA vereinbart, in Verdachtsfällen von Steuerhinterziehung mit anderen Staaten Informationen auszutauschen. Unter Treuhändern geht die Angst um, dass sie dadurch künftig verstärkt ins Visier ausländischer Steuerfahnder geraten, wenn Unterlagen
mit ihrem Namen darauf ausser Landes gehen.

Es ist für mich vollkommen klar, dass in Zukunft – im Rahmen eines offenen Informationsaustausches – nicht deklarierte Gelder zunehmend problematisch sein werden. Nicht zuletzt eben auch im Hinblick auf die Beihilfeproblematik. Die juristische Beihilfedefinition unterscheidet sich dabei natürlich von Staat zu Staat. In Deutschland zum Beispiel ist leider allein schon die Errichtung einer liechtensteinischen Struktur verdächtig.

Treuhänder und Privatbankiers in Liechtenstein und der Schweiz argumentieren gern, sie hätten sich doch an die Gesetze ihres Landes gehalten. Steuerhinterziehung ist in
Liechtenstein und in der Schweiz keine Straftat.

Wenn eine Strafuntersuchung nach deutschem Recht geführt wird, dann ist der dortige Strafrechtsbegriff entscheidend dafür, wer Beihilfe begeht. Man kann sich daher unter Umständen im Ausland strafbar machen, durch eine Handlung, die nicht dort stattgefunden hat.

War man da am Finanzplatz bei einigen Geschäften manchmal vielleicht einfach zu sorglos?

Im Hinblick auf die Rechtsauffassung im Ausland eher ahnungslos. Ich habe letztes Jahr erlebt, wie ein Schweizer Banker zu einem Liechtensteiner mit Blick auf den Datenklau und die Zumwinkel-Affäre sagte: «Ihr in Liechtenstein habt da aber ein wirkliches Problem.»

Das hatte man doch auch.

Ja. Aber es geht doch nicht darum, ob dies einen Liechtensteiner betrifft. Der Tatbestand der Beihilfe ist nationalitätenblind. Der Schweizer Banker, der liechtensteinische Stiftungsrat, der österreichische Vermögensverwalter: Alle können unter Umständen wegen Beihilfe belangt werden. Das kann der Versicherungsmakler sein, der Vermögensverwalter, der Stiftungsrat – und die können in verschiedenen Ländern beheimatet sein. Dass ein Schweizer Banker einfach auf Liechtenstein zeigt und meint, ihn tangiere die Beihilfeproblematik nicht, zeigt ganz einfach: Das Risiko wird unterschätzt.

Das heisst, man hat den Kopf in den Sand gesteckt?

Es gab schon länger Hinweise darauf, dass die Beihilfeproblematik ein Thema werden würde. Aber es stimmt, die Augen wurden verschlossen vor dieser Problematik. Nicht zuletzt deshalb, weil viele der Meinung waren, dass sie geschützt seien, wenn sie nur nicht wirklich wüssten, ob der Kunde steuerehrlich ist oder nicht.

In welche Richtung sollte man die Augen jetzt öffnen?

Die Beihilfeproblematik kann nicht wegdiskutiert werden. Das ist etwas, dass bei jedem, der sich in dem Bereich bewegt, ein Thema sein muss, mit dem er sich auseinandersetzen muss. Weiss er genug vom Kunden, ist dieser steuerehrlich oder nicht und wenn er feststellt, dass dem nicht so ist, wie soll er sich dann weiter verhalten?

Ein solches Rezept wäre eine Amnestie nicht nur für die Kundschaft.

Ja, das wäre eine Möglichkeit – es wäre die ideale Möglichkeit. Aber Amnestien hängen halt von der nationalen Souveränität des betreffenden Landes und dessen Gesetzgebung ab. Das ist einfach eine Entscheidung Deutschlands oder Frankreichs oder Englands oder von wem auch immer. Und diese Entscheidung kann man nur bedingt beeinflussen.

Was ist die Alternative?

Die Betroffenen müssen sich fragen, wie man mindestens für die Zukunft das Problem vermeiden kann. Das ist aber auch nur bedingt hilfreich, weil die Beihilfeproblematik auch in die Vergangenheit reicht, je nach Verjährungsfrist eines Landes, die fünf oder mehr Jahre betragen kann. Die beste Vermeidung ist, in Fällen, in denen es für den Haupttäter die Möglichkeit zu einer strafbefreienden Selbstanzeige gibt, dass sich der Beitragstäter daran beteiligt und damit sich selbst straffrei stellt. Das ist nicht fürchterlich attraktiv, aber manchmal aus Selbstschutz die richtige Lösung.

Das kommt für einige sicher einem Tabubruch im Kopf gleich.

Das ist tatsächlich das Schwierigste. Es gibt viele, und das ist auch nachvollziehbar, die nicht verstehen, dass Steuervergehen im Ausland anders geahndet werden, als bei uns. Insofern kommt die Ermutigung zu einer Selbstanzeige sicher einem Tabubruch nahe. Juristisch gesehen ist aber ein sachlicher Umgang mit dieser Problematik unbedingt erforderlich.

Heinz Frommelt war von 1997 bis 2001 Justizminister in Liechtenstein. Promoviert hat der Jurist mit einer Arbeit über das liechtensteinische Bankgeheimnis. Frommelt ist heute Partner einer Anwaltskanzlei und eines Treuhandbüros in Vaduz.

 

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