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notoperation

das abkommen mit den usa über den austausch von informationen in steuerfragen spaltet den liechtensteiner finanzplatz. eine spurensuche bei bankern und treuhändern. aus wirtschaft regional vom 13. dezember 2008

tiea


«Wieder eine Scheibe weg»

Vor allem unter Treuhändern sind Sinn, Zweck und Nutzen des Abkommens mit den USA über den Informationsaustausch in Steuerfragen umstritten. Sie fürchten vor allem die Signalwirkung.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. –Fakt ist: Das TIEA-Abkommen nützt vor allem den Banken. Die USA hatten es zur Bedingung für die Verlängerung des sogenannten QI-Status gemacht, der den Instituten das Geschäft mit US-Wertschriften wesentlich erleichtert. Fakt ist aber auch: Das Bankgeheimnis wird dadurch gegenüber den USA im Ernstfall aufgeweicht und auch die Diskretion der Stiftung ist nicht mehr das, was sie einmal war.

«Das TIEA selbst ist kein Problem»
«Isoliert gesehen ist das TIEA eigentlich gar kein Problem», sagt ein Treuhänder. Wenn die US-Steuerbehörde ernsthaft hinter einem Steuerflüchtling her sei, werde sie selbst schon so viel Druck aufbauen, dass der US-Steuerbürger von sich aus gestehe, sagt ein anderer Branchenvertreter und verweist auf die Möglichkeiten der Behörde, die auch Beugehaft einschliessen. Zu Hausdurchsuchungen bei Banken oder Treuhändern in Liechtenstein werde es daher wahrscheinlich gar nicht erst kommen, da der Betreffende sicherlich schon in der Heimat alles beichten werde, sofern an den Vorwürfen etwas dran sei. Unter Finanzexperten heisst es ohnehin, dass die US-Steuerbehörde die Möglichkeiten des TIEA eher selten nutze. Ihr gehe es vor allem um die Drohkulisse.

«Problematisch am TIEA ist seine Signalwirkung», sagt der Treuhänder mit Blick auf die schwindende Diskretion des Finanzplatzes: «Letztlich wird jetzt doch wieder eine Salamischeibe abgeschnitten, und das ist nicht die erste.» Und ernüchtert fügt er hinzu: «Und irgendwann ist die Salami fertig.» Ein anderer Treuhänder drückt es so aus: «Wenn es mit der Diskretion nicht mehr stimmt, bleiben die Kunden weg.»

Die Schreckensvision von verunsicherten Kunden, die aus Sorge vor einer weiteren Aufweichung des Liechtensteiner Bankgeheimnisses auch gegenüber anderen Staaten künftig einen grossen Bogen um den Vaduzer Banken- und Treuhandplatz machen, treibt einige Treuhänder und auch Banken bereits ins Ausland. Banken eröffnen Filialen jenseits der Grenze,
auch einige Treuhänder planen, ihr Geschäft notfalls ganz dorthin zu verlegen. Denn jenseits der Staatsgrenze, so das Kalkül,gelte das TIEA schliesslich nicht und in Ländern wie etwa der Schweiz gelte Diskretion inzwischen mehr als in Liechtenstein.

«Nur im Hoheitsgebiet»
«Naturgemäss kann Liechtenstein nur in seinem Hochheitsgebiet auf Informationen zugreifen», sagt Regierungschef Otmar Hasler zum Geltungsbereich des TIEA. Grössere Institute, heisst es unter den Kritikern des TIEA, seien fein raus, sie könnten ihre Kunden per Auslandsfiliale auf andere, diskretere Finanzplätze mitnehmen. Für die kleineren Banken und Treuhandbüros sei das wegen des grossen Aufwands meist keine Alternative. «Das TIEA», sagt Hasler mit Blick auf die Zukunft des Finanzplatzes Liechtenstein, «ist hier ein weiterer Schritt im Rahmen einer zunehmend vernetzten Welt, die auch immer enger kooperiert.»

«Der Wandel», sagt ein Treuhänder selbstkritisch, sei im Prinzip «schon richtig». Noch fehle bei einigen in der Branche aber das Bewusstsein dafür. Vielen sei allerdings auch die Art und Weise dieses Wandels ein Dorn im Auge. «Die USA haben uns mit dem TIEA einfach etwas aufgetischt, so nach dem Motto ‹friss oder stirb›», sagt ein Branchenvertreter. Die Treuhänder hätten sich mehr Gegenleistungen gewünscht. Aber mit Kleinstaaten verhandelten die USA eben nur selten.

 

«Es muss alles auf den Tisch»

Die US-Steuerbehörde gilt als die mächtigste der Welt. Mutmassliche US-Steuerflüchtlinge verfolgt sie rund um den Globus. Das TIEA gewährt ihr nun auch in Liechtenstein Einblicke in Dokumente, die ihr bislang verschlossen waren.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. – Für 2009 wünscht sich die US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) mehr Fahnder im Ausland. Um die Vorteile der mit einigen Offshore-Steueroasen abgeschlossenen TIEA-Abkommen auszuschöpfen, «plant die IRS den Aufbau von fünf neuen Offshore Activity Groups», heisst es in der Budget-Empfehlung des IRS-Aufsichtsgremiums. Darin verlangt die Behörde von der US-Regierung fürs kommende Jahr 16,4 Mio. US-Dollar für ihre Ermittlungen in Sachen Offshore-Aktivitäten von US-Steuerpflichtigen. US-Präsident GeorgeW. Bush hatte in seinem Haushaltsansatz dafür nur 13,7 Mio. Dollar vorgesehen. «Die speziell ausgebildeten Steueragenten», heisst es in dem Bericht weiter, «werden den Gebrauch von Offshore-Kreditkarten, verschleierte Besitzverhältnisse von Firmen und Börsengeschäfte aufdecken.» Diese Massnahme werde dem US-Schatzamt im nächsten Jahr 35 Mio. Dollar einbringen.

Bankgeheimnis aufgeweicht
Das am Montag unterzeichnete und nicht unumstrittene Abkommen über den Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten erlaubt die IRS-Fahndern ab dem Steuerjahr 2009 auch Einblicke in Liechtensteiner Bankunterlagen,Treuhanddokumente oder Stiftungsunterlagen. Damit ist das Bankgeheimnis ebenso aufgeweicht wie die Diskretion der Stiftung. «Ich denke, wenn so ein Ersuchen kommt und für rechtens befunden wird, muss alles auf den Tisch», sagt ein Treuhänder. Im Abkommen selbst werden die zu erteilenden Informationen so definiert: «Alle Tatsachen, Erklärungen, Unterlagen oder Aufzeichnungen in jeglicher Form.»

Strikte Bedingungen
Die Bedingungen des Abkommens sind durchaus strikt: Die US-Steuerbehörde, so das allgemeine Verständnis am Finanzplatz, wird beispielsweise nicht einfach mit dem Namen eines mutmasslichen US-Steuerhinterziehers kommen und Auskunft darüber verlangen können, ob diese US-Person in Liechtenstein eine Stiftung unterhält. Seien dagegen sowohl der Name der Person als auch der der Stiftung bekannt und würden auch die weiteren Anforderungen an die Spezifizierung der Auskünfte beachtet, werde man aber wohl Auskunft geben müssen.

Bürger, Trusts und Unternehmen
Dabei definiert das Abkommen den Begriff der «Person» weit: «Eine natürliche oder juristische Person, ein Nachlass, ein Trust, eine Personengesellschaft, eine Gesellschaft oder irgendeine andere Personengemeinschaft.» Im Ernstfall, also wenn sich beispielsweise ein Treuhänder weigern würde, Unterlagen herauszugeben,verpflichtet sich Liechtenstein im TIEA dazu, die Herausgabe von Informationen «zu erzwingen». Dagegen sollen jedoch Rechtsmittel erlaubt sein.
Auch den IRS-Steueragenten, so hält das TIEA fest, muss die Einreise «zur Befragung von natürlichen Personen und Prüfung von Unterlagen» unter bestimmten Bedingungen gestattet werden.


«TIEA ist kein Dolchstoss»

Die Treuhändervereinigung (THV) fürchtet wegen des TIEA-Abkommens mit den USA kein Sterben des Treuhandplatzes. «Totgesagte leben länger», sagt THV-Geschäftsführerin Beatrice Noll-Schurti.

Frau Noll, das TIEA und die damit verbundene Aufweichung des Bankgeheimnisses werten einige Treuhänder als Dolchstoss ins Herz des traditionellen Geschäfts. Was ändert das TIEA tatsächlich?

Von «Dolchstoss» würde ich nicht sprechen. So viel Pathos hat das TIEA nicht verdient. Es bedeutet einen weiteren Schritt auf dem von der Regierung seit Längerem eingeschlagenen Weg – immer ein Stück mehr zu kooperieren. Die effektiven Auswirkungen des TIEA kann man erst beurteilen, wenn das Amtshilfegesetz, das das Abkommen umsetzt, vorliegt.

Was bedeutet das Abkommen für die Diskretion der Liechtensteiner Stiftung?

Es bedeutet, dass bei einem Ersuchen der US-Behörden, das mit den sehr detaillierten Regeln des Abkommens übereinstimmt, Auskunft erteilt werden muss. Bei der Frage, wie das genau vor sich gehen wird, wird man auf das Amtshilfegesetz warten müssen.

Ist die Diskretion der Stiftung dahin?


Es wird dasselbe gelten, was heute bei der Rechtshilfe bei Straftaten gilt und was in Fällen von Steuerbetrug gelten wird, wenn die Schengen-Assoziierung Wirklichkeit wird: Das Berufsgeheimnis des Treuhänders und das Bankgeheimnis wird durchbrochen.

Im Abkommen ist von Zwangsmassnahmen die Rede. Müssen wir im Ernstfall mit Razzien bei Treuhändern rechnen?

Unsere Einschätzung ist, das es ohnehin nur wenige Anfragen der USA geben wird.Wenn ja und je nach Ausgestaltung des Amtshilfegesetzes könnte es zu Hausdurchsuchungen kommen.

Das Bankgeheimnis und die Diskretion des Finanzplatzes galt vielen Kunden lange als Grund dafür, ihr Geld in Liechtenstein anzulegen. Was ändert das Abkommen am Ruf des Finanzplatzes?

Das Hauptproblem der letzten Monate war die Unklarheit. Das Abkommen verändert die Rahmenbedingungen, aber schafft auch Klarheit. Nun weiss man, woran man ist.

Einige Treuhänder haben begonnen, ihr Geschäft ins Ausland zu verlagern, andere klagen über den Verlust von Kunden. Stirbt der Treuhandplatz?

Es wird Veränderungen geben, das ist klar. Es ist möglich, dass Geschäfte verlagert werden; dass die Gewinnung von Neugeldern schwierig ist, ist eine Tatsache. Damit haben auch die Banken dieser Welt zu kämpfen. Die Finanzkrise hat sehr viel Geld vernichtet. Der Treuhandplatz wurde im Übrigen schon öfter totgesagt. Totgesagte leben aber bekanntlich länger.

Welchen Wunsch hat die THV an die Politik, was die Verhandlungen mit der EU über das Betrugsabkommen angeht?

Wir gehen davon aus, dass die Regierung sämtliche Optionen prüft, die Kräfte, insbesondere auch das Knowhow im Inland, nutzt und bündelt und bei den Verhandlungen sämtliche sich bietenden Verhandlungsspielräume ausnützt. (Interview: wfr)



«Ein grosser Pluspunkt für die Reputation»

Der Liechtensteinische Bankenverband (LBV) fürchtet keine negativen Folgen des TIEA. Geschäftsführer Michael Lauber hat auch mit Blick auf das EU-Betrugsabkommen Vertrauen in die Liechtensteiner Regierung.

Herr Lauber, das Informationsaus-tauschabkommen mit den Vereinigten Staaten sichert den Banken den QI-Status. Warum ist der so wichtig?

Der Zugang zum US-Markt im Sinne des Handels mit US-Wertschriften unter Beibehaltung des Bankgeheimnisses für alle NichtUS-Personen ist für die Banken einerseits geschäftspolitisch äusserst wichtig und andererseits stellt der QI-Status einen wichtigen Reputationsfaktor dar.

Die Datenklau-und die Steueraffäre haben die Kunden bereits stark verunsichert, die Neugelder sind ebenfalls stark rückläufig und teils ganz ein gebrochen. Welche Wirkung hat das TIEA auf das Image des Bankenplatzes?

Wir gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Ersuchen, gestützt auf das TIEA, in engen Grenzen halten wird. Die Folgen fürs Image leiten sich daher primär aus dem QI-Status ab. Er bedeutet neben der Möglichkeit, dass Banken Abkommen mit der US-Steuerbehörde abschliessen können, die «Qualifizierung» von Liechtenstein und dessen Know-your-Customer-Regelwerk. Das ist ein grosser Pluspunkt für die Reputation.

Welchen Wunsch hat der Bankenverband an die Politik, was die Verhandlungen mit deu EU über ein Betrugsabkommen angeht?

Wir gehen davon aus, dass der Schutz der Privatsphäre bei den Verhandlungen mit der EU über den Abschluss eines Betrugsabkommens Leitgedanke der Delegation von Liechtenstein ist.Wir haben Vertrauen in die Regierung.

Wie kann sich der Bankenplatz für eine Zukunft ohne strenges Bankgeheimnis fit machen? Mit was kann er punkten?

Das Bankgeheimnis als ein Teil der Privatsphäre ist nicht allein eine Frage des Informationsaustausches in Steuersachen. Es geht daneben auch um weitere wichtige Elemente des Schutzes der Privatsphäre, insbesondere um die Integrität der informationellen Selbstbestimmung – ein Kontenabfragesystem wie in Deutschland wäre in Liechtenstein nicht möglich –, um die Stabilität der Rechtsordnung und um die liberale Wirtschaftsordnung. Zudem ist die Position Liechtensteins durch die Zugehörigkeit zu zwei Wirtschaftsräumen einzigartig in Europa. (Interview: wfr)

 

«Für QI-Verlängerung konsequent»

Pietro Leone, Mitglied der Geschäftsleitung der Neue Bank AG:
«Wir beurteilen die Unterzeichnung des TIEA-Abkommens mit den USA für unseren Finanzplatz als Konsequenz zur Verlängerung des QI-Status. Die Äusserungen unseres Bankenverbandes unterstützen wir und sind ebenfalls der Meinung, dass es von wichtiger Bedeutung ist, mit dem weltweit bedeutendsten Finanzplatz USA zu harmonieren. Zumal auch wir US-amerikanische Wertpapiere handeln, begrüssen wir die Bemühungen zur erwähnten Vertragsverlängerung des QI-Status und erwarten daraus keine negativen Konsequenzen.»

«Für Erfolg entscheidend»

Adolf E. Real, CEO der VP Bank Gruppe: «Mit der Unterzeichnung des TIEA wurde Rechtssicherheit für Kunden und Finanzdienstleister erreicht. Zugleich wurde für die Banken die Voraussetzung für die Verlängerung des QI-Status geschaffen, was für den künftigen Erfolg des Finanzplatzes von entscheidender Bedeutung ist. Der Schutz der Privatsphäre steht mit dem TIEA nach wie vor im Vordergrund. Der Informationsaustausch erfolgt nur auf Basis eines präzise formulierten und begründeten Ersuchens. Zuvor müssen zudem alle Mittel des ersuchenden Staates ausgeschöpft worden sein.»

«Für Neugeschäft untragbar»

Roger Frick, Liechtensteiner Treuhänder: «Die Regierung scheint das Feld für einen Finanzplatz ohne Treuhandgeschäft zu ebnen, wohl in der Annahme, dass es ein Auslaufmodell ist. Das TIEA wird eine Präjudizwirkung für das EU-Betrugsabkommen haben. Es erstaunt, mit wie viel Beharrlichkeit die Regierung die Abkommen weiterentwickelt und mit wie viel Konsistenz sie dabei eine ganze Branche im Unklaren lässt. Man weiss nicht, bis wohin die Bereitschaft besteht, alles preiszugeben.Für das Neugeschäft ist diese Situation untragbar, weil sich zur gleichen Zeit nicht die mehrfach aufgezeigten Optionen öffnen.»

«Für Aussenwirkung negativ»

Thomas Zwiefelhofer, Direktionsmitglied Allgemeines Treuunternehmen: «Die Problematik des TIEA liegt weniger in den konkreten Folgen, als in der negativen Wahrnehmung bei den Kunden des Finanzplatzes Liechtenstein. Es wird nicht verstanden, weshalb unser Land den Gleichschritt mit der Schweiz aufgegeben hat. Unser Unternehmen hat seine Strategie den neuen Umständen angepasst und wird weiter versuchen,den internationalen Kundenbedürfnissen im Bereich des Schutzes der Privatsphäre gerecht zu werden.Welche diesbezüglichen Möglichkeiten der Finanzplatz Liechtenstein dabei noch bieten kann, wird die Zukunft weisen.»

 

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