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leseprobewirtschaft

ein österreichischer milliardär, kleinkredite für deutsche und eine neue bank in liechtenstein. ein themenpaket aus wirtschaft regional vom 8. mai 2010

martin schlaff bank vaduz


Teppichetage überflüssig

Vaduz bekommt eine neue Bank. Diesmal keine vornehme Privatbank. Stattdessen sollen Kleinkredite unters Volk gebracht werden. In der Schweiz ging das zuvor kläglich daneben. Die Fäden im Hintergrund zieht ein schillernder Milliardär.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. – Die Liechtensteinische Finanzmarktaufsicht FMA hatte ihre Zweifel. Sie lehnte eine Bewilligung für die Sigma Kreditbank AG ab. Das liessen sich die Gesuchsteller nicht gefallen. Sie riefen die FMA-Beschwerdekommission an. Mit Erfolg. Am Donnerstag teilte die FMA mit, die
Kommission habe Sigma die Bewilligung erteilt. Sigma wolle Ratenkredite vor allem im deutschen Markt anbieten, sagte der designierte Sigma-Chef Werner Leu zu «Wirtschaft regional». Es gehe um «kleinere Beträge». Ziel sei der Abschluss von 2000 Kleinkrediten im Monat.

Bis zur letzten Instanz
Ganz ähnlich war das Geschäftsmodell der Fidium Finanz AG in St. Gallen, dem die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Ba-Fin mit Verfügung vom 22. August 2003 einen Riegel vorschob, indem sie ihr «das Betreiben des Kreditgeschäfts» von der Schweiz aus untersagte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die in einem Büro im St. Galler Einkaufszentrum «Neumarkt» residierende Fidium per Internet und mithilfe selbstständiger Kreditvermittler in Deutschland bereits 65 000 Kreditverträge mit einem Gesamtvolumen von rund 108 Millionen Euro an den Mann gebracht – vor allem an solche Kunden, die anderswo keinen Kredit mehr bekamen. Die Zinsen waren entsprechend – und durchaus branchenüblich – happig: Für einen Kredit von 3500 Euro, rückzahlbar in 40 Monatsraten, wurden pro Jahr 14,54 Prozent Zinsen oder anders gesagt eine Rückzahlung von 4376 Euro fällig.

Fidium wehrte sich gegen die BaFin-Verfügung durch alle Instanzen und unterlag. Auch wer von der Schweiz aus Kredite anbiete, brauche in Deutschland eine Bankerlaubnis, urteilte das deutschen Bundesverwaltungsgericht am 22. April 2009. Die hatte Fidium nicht. Das Unternehmen unterstand nicht einmal der Schweizer Finanzaufsicht, denn in der Schweiz unterliegt Fidiums Geschäftsmodell nicht der Bewilligungspflicht.

Milliardenschwerer Hintermann
Wie verschiedene Quellen «Wirtschaft regional» bestätigten, sind die Hintermänner des in St. Gallen gescheiterten Fidium-Geschäftsmodells die gleichen, die das Kleinkreditgeschäft nun über die Sigma in Vaduz aufziehen wollen. Auch Leu bestätigte das: Dahinter stünden zwar nicht exakt dieselben Firmen, sagte er, aber «indirekt ist das so».

Hinter Sigma, das bestätigt Leu ebenfalls, steht eine schillernde Figur: der österreichische Milliardär Martin Schlaff. Im vergangenen Jahr hatte das österreichische Wirtschaftsmagazin «Format» vom Gesuch seiner MS Familienstiftung um eine Bankbewilligung in Vaduz berichtet. Und gemutmasst, Schlaff wolle seine «atemberaubende» Karriere wohl mit einer «eigenen Privatbank» krönen. Daraus wird nun nichts. Leistungen wie eine klassische Privatbank mit Teppichetage darf Sigma gar nicht anbieten. Die erstrittene Banklizenz ist nur eine Teillizenz. Sie erlaubt nur das Verleihen von Geld. Sonst nichts.

Kleinkredit mit Milliardärssegen

Der Austro-Milliardär Martin Schlaff hat sich eine Banklizenz in Liechtenstein erstritten. Allerdings nicht, wie vermutet, für eine vornehme und standesgemässe Privatbank. Schlaffs Institut will Kleinkredite unters deutsche Volk bringen.

Von Wolfgang Frey

Vor einem Jahr, als der Wunsch Schlaffs nach einer Banklizenz durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit drang, klang alles noch ganz anders. Von «Champagnerlaune» vor einem «grossen Coup» schrieb das österreichische Nachrichtenmagazin «Format», vom «Einstieg ins Kreditgeschäft», das ihm wegen seiner «schillernden Karriere» als Osthändler bislang verwehrt worden sei – gemeint waren seine Geschäfte mit Partnern hinter dem Eisernen Vorhang zu Zeiten des Kalten Krieges.

«Krönung der Karriere»
«Eine eigene Privatbank», schrieb «Format» im April 2009, wäre «die Krönung seiner Karriere, die mit westeuropäischen Computerfestplatten für die Ex-DDR begann und mit osteuropäischen Mobilfunkfirmen für die Telekom Austria endete.» Die in dieser Woche in Vaduz unter der Adressse Drescheweg 2, 9490 Vaduz, bewilligte Sigma Kreditbank AG wird allerdings keine Privatbank in diesem Sinne sein.

Sie hat nicht einmal eine Vollbanklizenz, die Teillizenz zur Kreditvergabe musste sie gegen den Widerstand der Finanzmarktaufsicht FMA erstreiten und im Visier sind statt extrasolventer Kundschaft – wie ansonsten in Liechtensteins Bankenlandschaft üblich – deutsche Verbraucher in Geldnot, die einen Kleinkredit brauchen (siehe Text unten).

«Kleinere Beträge»
Werner Leu, Kaufmann, 59, und designierter Bankchef, sagte zu «Wirtschaft regional», das Institut wolle Konsumenten- und Ratenkredite anbieten, vor allem in Deutschland. Insgesamt werde es um «kleinere Beträge» gehen. Spargelder oder sonstige Einlagen würden nicht angenommen. Das wäre mit der Teillizenz auch gar nicht möglich. Diese sieht laut FMA lediglich «Ausleihung von fremden Geldern an einen unbestimmten Kreis von Kreditnehmern im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 3 Bst. b des Bankengesetzes vor».

Die Aufsicht stellte diese Woche in einer Mitteilung klar: «Das gewerbsmässige Betreiben weiterer Bankgeschäfte im Sinne von Art. 3 Abs. 3 des Bankengesetzes, insbesondere auch die Annahme von Einlagen und anderen rückzahlbaren Geldern sowie die Anlageberatung und Vermögensverwaltung, ist der Sigma Kreditbank AG nicht gestattet.»

Schweigende Aufsicht
Zunächst hatte die FMA die Bewilligung der Lizenz ganz abgelehnt. Beantragt hatte sie die Universal Finanz Holding AG, ebenfalls präsent an der Adresse Drescheweg 2 in Vaduz. Jene wiederum ist eine Gesellschaft der MS Familienstiftung von Martin Schlaff.

Zu den Gründen für die Ablehnung der Banklizenz durch die Aufsichtsbehörde – ein ebenso einmaliger Vorgang in der FMA-Geschichte wie die Bewilligung durch die Beschwerdekommission – schwieg sich FMA-Sprecher Beat Krieger im Gespräch mit «Wirtschaft regional» unter Verweis auf das Amtsgeheimnis aus.

Der künftige Bankchef Leu sagte, die FMA habe zunächst keine Teillizenz erteilen wollen. Das dementierte wiederum der Vorsitzende der FMA-Beschwerdekommission, der Fürstliche LandrichterWilhelm Ungerank, sagte aber, die Bank habe im Beschwerdeverfahren, «genau das bekommen», was sie ursprünglich beantragt habe.

Liechtensteiner Finanzkreise bestätigten «Wirtschaft regional» unterdessen, dass es einen Disput um die Auslegung der Genehmigung für die «Ausleihung von fremden Geldern» gegeben habe. Da die Bank zwar Kredite vergeben, aber keine Einlangen annehmen will, muss das zu verleihende Geld woanders herkommen. Laut Leu soll es von «Grossinvestoren» und aus dem Eigenkapital kommen.

Den Kreisen zufolge ging es bei dem Streit darum, inwiefern diese Mittel als «fremde Gelder» im Sinne des Bankengesetzes anerkannt werden können. Reputationsbedenken, hiess es weiter, hätten im Beschwerdeverfahren keine Rolle gespielt. Sie seien bereits zuvor ausgeräumt worden. Weitere Details waren nicht in Erfahrung zu bringen.

Teppichetagen in Laufnähe
Starten will die Sigma Kreditbank nach «Wirtschaft regional»-Informationen im Herbst. Nach dem FMA-Reglement muss sie ihre Geschäftstätigkeit spätestens im April 2011, also binnen Jahresfrist nach der Erteilung der Genehmigung, aufnehmen. Offen ist bislang, ob die Adresse am Drescheweg die endgültige Bankresidenz sein wird. Zu den Teppichetagen der Vaduzer
Privatbanken wären es von dort nur ein paar Hundert Meter.

Wenn ein Kreditvermittler die Rechnung ohne die Finanzaufsicht macht

In St. Gallen ist die Fidium Finanz AG mit dem Versuch, massenhaft Kleinkredite an deutsche Konsumenten zu verkaufen, gescheitert. Die Chancen für die neue Sigma Kreditbank in Vaduz, das Gleiche zu tun, stehen dagegen gut.

Von Wolfgang Frey

Wer in Deutschland Kleinkredite ohne Bonitätsprüfung an den womöglich ohnehin schon verschuldeten Mann oder auch die klamme Hausfrau bringen will, braucht eine Bank-Erlaubnis. Zumindest, wenn er das von der Schweiz aus tut und in Deutschland keine Niederlassung hat. Die Fidium Finanz hat das dennoch per Internet und mithilfe selbstständiger deutscher Berater ausgiebig praktiziert, bis ihr «das Betreiben des Kreditgeschäfts» von der deutschen Finanzaufsicht BaFin im Spätsommer 2003 und später auch von den Gerichten untersagt wurde.

Die Behörde stellte sich auf den Standpunkt, dass auch derjenige in Deutschland eine Bankerlaubnis nach dem deutschen Kreditwesengesetz brauche, wenn er sein Geschäft auf dieseArt von der Schweiz aus betreibt. Entscheidend für die Frage nach der Bewilligung sei nicht der Sitz des Kreditvermittlers, sondern der Markt, den er bearbeite und die Tatsache, dass «wesentliche zum Vertragsabschluss hinführende Schritte» in Deutschland vollzogen würden.

Schliesslich habe sich die Fidium Finanz «zur Gewährung von Gelddarlehen zielgerichtet an in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Personen gewendet», in Deutschland seien die Antragsformulare aus dem Internet ausgedruckt worden und dort seien auch Berater zu den Kunden gekommen, so die BaFin.

Eine Frage der Aufsicht
Hätte die Fidium Finanz eine Schweizer Banklizenz gehabt, erläuterte Ba-Fin-Sprecher Ben Fischer im Gespräch mit «Wirtschaft regional», hätte der Fall etwas anders gelegen. Denn auch Finanzinstitute aus Staaten ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraums könnten ohne Bank-Erlaubnis in Deutschland Geschäfte machen, «sofern sie in ihrem Heimatland einer gleichwertigen Aufsicht unterstehen».

Der St. Galler Kreditvermittler unterstand allerdings auch in der Schweiz nicht der Finanzmarktaufsicht. Sein Geschäftsmodell ist in der Schweiz nicht bewilligungspflichtig. Die Bewilligungsfreiheit stösst auch in der Schweiz nicht überall auf ungeteilte Zustimmung. Für einige Akteure gebe es «keine Aufsicht», sagt der Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, Thomas Sutter. «Das ist ein Problem.»

Für die Sigma Kreditbank, hinter der nach «Wirtschaft regional»-Informationen im Wesentlichen die gleichen Akteure stehen, wie hinter der Fidium Finanz, stellt sich dieses Problem nicht. Im Unterschied zur Fidium hat die Sigma eine Banklizenz, zudem eine aus einem Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Damit kann sie nun bei der Vaduzer Finanzmarktaufsicht FMA einen «EU-Pass» beantragen, wenn sie in Deutschland Kredite vermitteln will.

Die FMA teilt der BaFin diesen Wunsch und die Existenz der Lizenz mit, eine deutsche Bank-Erlaubnis ist damit entbehrlich. Möglich macht das der EWR, aber vor allem anderen die Banklizenz. Die hat wiederum zur Folge, dass die Kreditvermittlung beaufsichtigt wird.


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