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ein paar millionen sollen ein milliardenloch stopfen. frankfurt macht seine avantgarde-bühne dicht. für ddp, im juni 2002

12.06.02 - 18:00:00 Uhr - DDP 762

(Aktualisiertes Nachrichtenfeature)
Der letzter Vorhang fürs TAT
Frankfurt spart seine Avantgarde-Bühne ein - TAT-Regisseur Schuster: «Kulturpolitik mit dem Rücken zur Wand»

Von Wolfgang Frey
(Mit Bildern)

Frankfurt/Main (ddp). Die Stadt Frankfurt am Main schreibt am letzten Kapitel der Geschichte vom Ende ihrer Avantgarde-Bühne TAT. «Finanziell zwingend» sei das Aus nach der Spielzeit 2003/2004, heißt es im Rathaus nach der Sitzung der Reformkommission des Magistrats, in der die Politprominenz nach Auswegen aus der Finanzkrise sucht. An eine Rettung der Bühne, mit der die Theaterwelt Namen wie Claus Peymann, Heiner Goebbels, Rainer Werner Fassbinder und Tom Stromberg verbindet, glaubt niemand mehr. «Das TAT wird 2004 nicht mehr zu bezahlen sein», sagte Kulturdezernent HansBernhard Nordhoff (SPD) am Mittwoch. Das Etat-Loch der Stadt ist allein 2002 eine knappe Viertelmilliarde Euro tief, beim TAT geht es um drei Millionen pro Jahr.

Der Deutsche Bühnenverein reagierte mit ungläubigem Kopfschütteln. Rolf Bolwin, der Direktor des Theaterverbandes, sprach von einer «provinziellen» und «völlig unverständlichen» Entscheidung. Der «kulturpolitische Verlust für die Stadt» stehe «in keinem Verhältnis» zum Sparbetrag. Die Stadt werde ihrem «eigenen Anspruch, eine der großen Städte Europas zu sein, nicht gerecht», sagte Bolwin. «Erst Kultur macht ein Gemeinwesen zu einer Stadt».

In der Stadt am Main hieß es hinter vorgehaltener Hand, alle Intendanten der Städtischen Bühnen hätten inzwischen die «Nase voll» von der Frankfurter Kulturpolitik. Elisabeth Schweeger, Intendantin des Schauspiels, formulierte ihren Ärger am Mittwoch so: «Jedes Kulturinstitut, das man entfernt oder schließt, ist ein Schritt in Richtung Verdummung und Verarmung der Gesellschaft.» Ballett und TAT-Intendant William Forsythe sagte, er bedauere die Entscheidung sehr. Er halte das TAT nach wie vor für eine «wichtige Institution».

Robert Schuster, gemeinsam mit Tom Kühnel noch bis Ende des Jahres künstlerischer Leiter des TAT, sprach von einem «traurigen Zeichen» für Frankfurt. «Die Stadt katapultiert sich damit in die Maßstäbe von kleineren Städten, den ein Stadttheater reicht», sagte Schuster und sprach von einer «Kulturpolitik mit dem Rücken zur Wand, die man eigentlich gar nicht kommentieren» könne. Der Kulturpolitik gehe nicht mehr nur ums Sparen: «Noch schlimmer ist, dass es jetzt offenbar auch nicht mehr darum geht, kulturelle Identität zu stiften», sagte Schuster.

Das TAT sei die »Suchbewegung der darstellenden Kunst in einer sich verändernden Zeit« gewesen, sagte Nordhoff. Tradition der Bühne »war der Wechsel«: Ein paar Jahre Peymann in den Sechzigern, acht Monate Fassbinder in den Siebzigern, drei TAT-freie Jahre in den Achtzigern, die Eingliederung in die Städtischen Bühnen in den Neunzigern, schließlich der Versuch eines Neuanfangs mit Schuster und Kühnel und wieder die Diskussion um ein vorzeitiges Aus. Eine Bühne mit einem »kleinen, feinen, wendigen Ensemble, das gute Arbeit geleistet hat«. Aber man müsse jetzt den »Realitäten«, der »dramatischen Finanzsituation« der Stadt ins Auge sehen.

Weitere Bühnenschließungen »stehen nicht an«, versicherte Nordhoff. Im Übrigen werde es auch »weiter Theater in der Stadt geben«. In der TATSpielstätte Bockenheimer Depot werde mit Auftritten von Schauspiel, Oper, Ballett, Inszenierungen des Künstlerhauses Mousonturm, Gastspielen des Ensembles Modern und den Auftritten freier Theatergruppen auch die »Suchbewegung der darstellenden Kunst" weiter gehen.


alle rechte für diesen text liegen bei ddp. veröffentlichung auf dieser seite mit freundlicher genehmigung der agentur.

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