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leseprobegesellschaft

von der finanzpolitikerin zum bankenvorstand. ein besuch bei ingrid matthäus-maier. für ddp, im frühjahr 2001

xpd027 pl 4 DDP 0113 über ddp vom 10.03.01 10:32:00
Personalien/Matthäus-Maier/INT/WOR/

Drei Fragen an - Ingrid Matthäus-Maier

--Von ddp-Korrespondent Wolfgang Frey--

Frankfurt/Main (ddp). Ingrid Matthäus-Maier, die Abgeordnete, SPD-Finanzexpertin und Fast-Finanzministerin hat sich 1999 nach mehr als 20 Jahren aus der Bundespolitik verabschiedet. Am 1. Juli 1999 gab sie morgens um acht Uhr ihr Bundestagsmandat in Bonn zurück und fuhr anschließend nach Frankfurt in ihr neues Büro bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Im Bankenviertel am Main war sie die erste Frau im Vorstand einer großen Bank. Die erste Frau in einer Spitzenposition war sie schon öfter: 1972, als die Jungdemokraten sie zur Bundesvorsitzenden wählten, 1988, als sie den Vorsitz eines Bundestagsuntersuchungsausschusses übernahm. Im Januar 1990 schlug sie als erste Politikerin die deutsch-deutsche Währungsunion vor.

ddp: Frau Matthäus-Maier, vermissen Sie die Scheinwerfer und das Rampenlicht?

Matthäus-Maier: Nein, ich war die ganzen Jahre in den Medien, habe unzählige Reden gehalten und Interviews gegeben. Nach so vielen Jahren ist das Bedürfnis, ununterbrochen in den Medien zu sein, gestillt. Im Übrigen war es ein Wahnsinnsstress: Morgens ab 6.30 Uhr die ersten Radio- und Fernseh-Interviews und abends bei Wickert in den Tagesthemen ein Statement zur Steuerreform. Nein, ich habe keine Entzugserscheinungen. Und ich bin heute sehr zufrieden mit meiner Arbeit als Bankvorstand: Eine große, neue Herausforderung, die ich nicht mit etwas anderem tauschen möchte.

ddp: Was reizt Sie an dieser Arbeit, nach einer so langen Zeit als Politikerin?

Matthäus-Maier: Was mich fasziniert, ist die Bandbreite. Wenn Sie durch Ostberlin fahren und renovierte Plattenbauten sehen, liegt das an der KfW. Wenn das Abwasser aus tunesischen Hotels in die Kanalisation und nicht ins Meer fließt, liegt das auch an der KfW. Und dass im Jemen Verhütungsmittel an Frauen verteilt werden oder russische Manager in deutschen Unternehmen Praktika machen, ebenfalls. Und im Unterschied zur Politik steht bei der KfW am Ende eines jeden Projekts auch immer ein Ergebnis.

ddp: Das heißt nicht, dass Sie in der Politik nichts bewirkt hätten. An welchen ihrer politischen Erfolge denken Sie gerne zurück?

Matthäus-Maier: Mit Sicherheit an die deutsche Einheit. Ich bin kein Mensch, der auf Orden oder Ehrenzeichen Wert legt. Aber als ich zum Festakt zur Feier des zehnten Jahrestags der deutschen Einheit auf die Ehrentribüne im Bundestag eingeladen war, habe ich schon ein wenig Stolz empfunden, an der Einheit mitgewirkt zu haben. Ich habe im Januar 1990 als erste Politikerin aus der Opposition heraus die deutsch-deutsche Währungsunion vorgeschlagen, um den Menschen im Osten eine Perspektive zu geben, ein Signal, dass die Einheit kommt. Kohl und Waigel waren erst dagegen, einen Monat später haben auch sie die Notwendigkeit eingesehen.



xpd026 pl 4 DDP 0112 über ddp vom 10.03.01 10:31:00
Personalie/Matthäus-Maier/BIO/
Was wurde aus - Ingrid Matthäus-Maier?

--Von ddp-Korrespondent Wolfgang Frey--
(mit Bildern)

Frankfurt/Main (ddp). Das Scheinwerferlicht, die Kameras und die Mikrofone vermisst Ingrid Matthäus-Maier nicht. "Ich war die ganzen Jahre in den Medien, habe unzählige Reden gehalten und Interviews gegeben", sagt die Frau, die die meisten als "die SPD-Finanzexpertin" kennen. "Das fehlt mir nicht", sagt sie heute, nach mehr als 20 Jahren in der vordersten Reihe der Politik, in ihrem Büro in der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt am Main. Es ist ein Vorstandsbüro. Seit Juli 1999 gehört die Frau, die zuletzt für den Chefsessel im Bundesfinanzministerium im Gespräch war, zum Vorstand von "Deutschlands großer Förderbank". Diesen Schritt, sagt sie, "habe ich in keiner Weise bereut". Genauso wenig wie ihre politische Karriere.

"Ich bin ja eine 68er-in", sagt Matthäus-Maier, 55. Als Jura-Studentin engagiert sich im Studentenparlament, am Tag als die sozialliberale Koalition 1969 in Bonn ihre Arbeit aufnimmt, tritt sie in die FDP ein. Drei Jahre später wählen sie die Jungdemokraten auf ihrer Bundeskonferenz zur Vorsitzenden. Matthäus-Maier ist die erste Frau auf diesem Posten.
Für kurze Zeit ist sie Richterin am Verwaltungsgericht Münster, 1976 wird sie in den Bundestag gewählt. "1979 war ein wichtiges Jahr", sagt Matthäus-Maier, damals noch in der FDP und Vorsitzende des Finanzausschusses. "Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing haben das Europäische Währungssystem durchgebracht. Erst gab es nur Bedenkenträger, dann war es ein großer Erfolg für uns - und die Vorstufe zum Euro."

Drei Jahre später bricht Matthäus-Maier ("Ich fühlte mich immer als Sozialliberale") mit der FDP. Im Herbst 1982 stürzt Schmidt mit FDP-Unterstützung: "Da habe ich gesagt, das mache ich nicht mit. Das war der Bruch eines Wahlversprechens." Aus Protest gegen den Kurswechsel der FDP - Koalitionspartner ist fortan die CDU - legt Matthäus-Maier ihr Bundestagsmandat nieder: "Gerade wenn die Zeiten stürmisch werden, muss man zu seiner Position stehen." Für kurze Zeit wird sie wieder Richterin, nimmt dann ein Angebot von SPD-Chef Willy Brandt an. Als SPD-Abgeordnete zieht sie im März 1983 in den Bundestag ein. Im Januar 1990 schlägt sie von der Oppositionsbank aus "als allererste" die deutsch-deutsche Währungsunion vor.

"Es war rein ökonomisch eine abenteuerliche Idee, aber politisch ohne Alternative. Die Menschen im Osten sollten eine Perspektive haben und wissen: Die Einheit kommt, die Währung ist die Vorstufe", sagt Matthäus-Maier. "Kanzler Kohl und Finanzminister Waigel waren erst dagegen, einen Monat später waren sie dafür." An der Einheit mitgewirkt zu haben, sagt sie, "macht mich ein bisschen stolz." So wie ihr heutiger Job: Sie ist die einzige Frau im Frankfurter Bankenviertel, die in einem Vorstandsbüro residiert. "Für eine Frau, die immer für Gleichberechtigung eingetreten ist, eine gute Sache."

Ihr Büro verlässt sie ab und an, um sich in Palästina um Brunnenprojekte zu kümmern oder um Grundschulen in Ägypten. Bei der KfW ist sie zuständig für die finanzielle Entwicklungs-Zusammenarbeit in Nordafrika und Nahost und den Wohnungsbau. "Wenn Sie durch Ostberlin fahren und renovierte Plattenbauten sehen, liegt das an der KfW. Wenn das Abwasser aus tunesischen Hotels in die Kanalisation und nicht ins Meer fließt, liegt das an der KfW." Dass im Jemen Verhütungsmittel an Frauen verteilt werden oder russische Manager in deutschen Unternehmen Praktika machen, ebenfalls.

"Die Bandbreite ist faszinierend." Derart, dass Matthäus-Maier nicht zurück will: "Ich bin sehr zufrieden, habe keine Entzugserscheinungen von der Politik und nicht die geringste Absicht, diese Position für eine andere zu verlassen."



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